Charlotte

Die Anästhesistin fragte mit Grabesstimme: "… und, war es ein schwerer Gang heute morgen?"

 

❗ Inhaltshinweis ❗ 

schwierige Schwangerschaft und Geburt, Schwangerschaftsabbruch

 

1999 kam meine Tochter zur Welt. Ich lag 13 Stunden in den Wehen, die eingeleitet werden mussten, weil ich von selbst keine Wehen hatte. Es war die Hölle! Ich war 22 Jahre alt, alleinerziehend – weil ich mir ein Leben mit dem Erzeuger nicht vorstellen konnte – und völlig überfordert.

 

Ehrlich gesagt war ich wirklich keine gute Mutter. Ich wollte auch nie Kinder. Allerdings hatte ich ein Jahr zuvor einen Abort, und das war mit Abstand das schlimmste Erlebnis. Das wollte ich nie, nie, nie wieder erleben. Daher entschied ich mich, das Würmchen zu bekommen und mich liebevoll zu kümmern. (Mit 22 hast du halt keinen Schimmer, worauf du dich da einlässt, und ich hatte auch keine Unterstützung von meiner Familie, keine Erfahrung mit Kindern und jede Menge Flausen im Kopf.) Aber wir kamen klar.

 

2004 traf ich meinen jetzigen Mann. Er war das Beste, was mir je passiert ist. Vorher war ich mir sicher gewesen, diesen Schwangerschaftsmist auf gar keinen Fall nochmal durchmachen zu wollen, aber ihm zuliebe schon. Dann allerdings bitte vor meinem 30. Geburtstag, denn ich wollte nicht mit 40 noch Windeln wechseln oder auf dem Spielplatz rumhängen.

 

Pille abgesetzt (ich hab sie nie wirklich vertragen, Drei-Monats-Spritze auch nicht, die Temperaturmethode führte zu Unfall 1, die Pille zu Unfall 2 und von der Hormonspirale reden wir lieber nicht …) – ZACK, ich war schwanger mit meinem Sohn! Bei ihm hatte ich Wehen ab der 26. Woche und musste oft ins Krankenhaus, die Füße hochlegen, durfte mich nicht bewegen … Als dann die Fruchtblase platze, waren die Wehen wieder weg. und es folgten 18 Stunden mit eingeleiteten Wehen. Definitiv kein Spaß.

 

Danach war absolut klar: Never ever, das war es für mich mit Kindern! Aber versuch mal, mit noch nicht mal 30 Jahren eine Klinik zu finden, die das macht. Die Gespräche waren völlig absurd. Ich wurde behandelt, als ob ich mit 28 Jahren nicht in der Lage wäre, eine Entscheidung über meinen Körper und meine Familie zu treffen. What the hell?! Als ob Frauen ja grundsätzlich nicht wüssten, was sie zu entscheiden haben. Ätzend!

 

Mein Mann hätte eine Vasektomie vornehmen lassen, aber ICH wollte das für MICH! Wir hatten uns dann auf einen Ovulationstest geeinigt, der die angeblich fruchtbaren Tage bestimmen sollte und ich fand auch endlich eine Klinik, die bereit war, mir die Eileiter zu durchtrennen und die Enden zu kauterisieren. Der Termin stand fest. Ich war überglücklich.

 

Eine Woche vor dem Eingriff war ich dann komplett fertig mit der Welt: Ich war wieder schwanger! Den OP-Termin habe ich abgesagt. Die Ärztin am Telefon war leider recht amüsiert. Fand ich auch scheiße. Und oh WUNDER! Dieses Mal hatte ich eine Traumschwangerschaft. Keine Übelkeit, keine dicken Füße, keine Müdigkeit … nichts. Es war fast schon wunderbar.

 

Allerdings wollte ich unbedingt einen Kaiserschnitt, um dieses Drama nicht nochmal zu haben. Zwei Tage vor dem geplanten Entbindungstermin, bei dem auch die Sterilisation stattfinden sollte (wär ja praktisch gewesen), hatte ich einen Albtraum und entschied mich doch gegen den geplanten Kaiserschnitt. Mein Arzt freute sich, meine Hebamme jubelte und ich dachte nur: Was für ein Mist!

 

Pünktlich zum errechneten Geburtstermin platzte die Fruchtblase und meine Lieblingshebamme hatte Dienst. Vier Stunden später, ohne Wehenförderer, kam das kleinste, schnuckeligste Ding zur Welt, das ich je gesehen hatte. Er (heute immer noch klein und niedlich) entschied sich dann, mir das nächste Jahr lang die Hölle heiß zu machen … aber gut.

 

Der Steritermin war dann drei Monate nach der Geburt. Die Gespräche mit dem Arzt waren easy. Er kannte mich und ich hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass ich mit drei Kindern mehr als bedient bin, zumal die am Ende alle studieren wollen … was das kostet! Das hat er dann eingesehen. (Er selbst hat vier Kinder, die alle zu der Zeit entweder studierten oder noch zur Schule gingen.)

 

Ich kam in den Vorbereitungsraum, man gab mir eine "Leck mich am A…-Pille" und los ging's. Kurz vor der OP fragte mich die Anästhesistin mit Grabesstimme: "… und, war es ein schwerer Gang heute morgen?" Hinterher erzählten sie mir, dass ich daraufhin einen Lachflash hatte und sie fragte, ob sie noch ganz dicht sei. Die Nummer hier wäre mein Geburtstagsgeschenk!

 

Den Grund für die Frage erklärte man mir dann auch: Es sei nämlich so, dass Frauen nach dieser Rückfrage manchmal zusammenbrechen. In diesem Fall würde die OP abgesagt, weil wohl einige Frauen doch nicht so sicher seien und im Zustand der Sedierung sehr emotional reagierten. Das leuchtete mir auch ein. Ich glaube, wenn man nicht wirklich bereit dazu ist, dann ist die Anspannung sehr groß und in diesem leicht bekifften Zustand nach der Tablette löst sich diese Emotion dann. Ich fand und finde es immer noch sehr gut, dass dann abgebrochen wird. Denn so wird verhindert, dass die Frauen ihre Entscheidung wirklich bereuen. 

 

Für mich war es die totale Befreiung. Keine Hormone mehr, keinen anderen unsäglich komplizierten Kram machen müssen und dann doch wieder schwanger … Es ist für mich auch immer so traurig zu sehen, dass andere jahrelang versuchen schwanger zu werden – und mich musste mein Mann nur komisch angucken. Und das obwohl ich nicht mal Kinder wollte. (Also nicht so richtig.)

 

Ich liebe meine drei Kinder abgöttisch. Sie sind mein Ein und Alles und sie sind perfekt. Aber ich mag immer noch keine anderen Kinder und Eltern mag ich noch weniger ;-) Meine Kids sind lustigerweise ganz froh, dass sie mich als Mutter haben. Wir haben ein extrem gutes Verhältnis und dabei bin ich keine Freundin oder Kumpel. Eigentlich bin ich sogar recht streng und auch manchmal spießig. Aber da ich unsere Familie als WG betrachte, sind die Regeln klar und die Kommunikation sehr offen. 

 

Meine Tochter meinte vor kurzem, sie wolle auch mal eine Mama werden, besser als ich … aber genauso irgendwie. Mein großer Sohn sagt, er will auf gar keinen Fall Kinder. Dabei ist er bei den Kleinen aus der Nachbarschaft der allergrößte Held und sie lieben ihn! Der Kleine findet nur fremde Kinder toll, weil man für die nicht die Verantwortung hat. Da kann man bespaßen und Quatsch machen, aber wenn sie nerven, gibt man sie halt wieder ab ;-)

 

Alles in allem lief es für mich genau so, wie es vielleicht sein sollte. Aber ich kann wirklich jede Frau verstehen, die absolut keine Kinder will und selbstbestimmt entscheiden möchte. Im Ernst … selbst wenn man es sich anders überlegen sollte … es gibt so viele Kinder, die echtes Pech mit ihrer Familie hatten. Denen ein Zuhause zu geben, wäre die schönste Alternative.

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