❗ Inhaltshinweis ❗
Behinderung, Trauma, Therapie, Dysphorie, Transsexualität
Ich bin eine fast 24-jährige, nicht-binäre Transperson (biologisch weiblich) und bin aufgrund von PTBS schwerbehindert. Hier möchte ich über meinen Sterilisationswunsch berichten und wie dieser mit der Findung meiner Geschlechtsidentität und dem Zurückfinden zur Selbstbestimmung nach traumatischen Erfahrungen zusammenhängt.
Schon seit ich denken kann, konnte ich mich nicht mit den als weiblich assoziierten Eigenschaften meines Körpers identifizieren. Ein Schlüsselmoment war dabei der Tag, an dem ich zum ersten Mal meine Periode bekam und mein Körper somit gebärfähig wurde. In Bezug auf meine "Transition" habe ich mich so schon Ende 2018 in den Kampf begeben, im Rahmen der Aktion Standesamt 2018 meinen Geschlechtseintrag aus dem Geburtenregister zu löschen.
Und so hängt auch der konkrete Sterilisationswunsch für mich nicht mit einem Verhütungswunsch zusammen. Ich habe zwar aus Respekt vor den körperlichen Folgen nie hormonelle Verhütungsmethoden genommen, war aber in den 8 Jahren, in denen ich inzwischen sexuelle Erfahrungen gesammelt habe, mit Kondomen als Verhütungsmethode immer vollkommen zufrieden und hatte in Bezug darauf auch immer verständnis‑ und rücksichtsvolle Partner. Ich habe auch grundsätzlich keine pauschale Abneigung dagegen, Kinder großzuziehen. Auch wenn meine aktuelle Lebenssituation dies nicht zulässt, könnte ich mir durchaus vorstellen, irgendwann mal Kinder zu haben, auch mit meinem jetzigen Partner(!!!). Seit ich denken kann, war für mich allerdings klar, dass ich nie im Leben Kinder gebären will und mein Sterilisationswunsch ist entstanden, da ich mich mit einem gebärfähigen Körper einfach nicht identifizieren kann. Als Alternative kann ich mir gut vorstellen, irgendwann, wenn es meine gesundheitliche und finanzielle Situation zulässt, Kinder zu adoptieren! Ich bin ohnehin der Ansicht, dass ich in die aktuelle Gesellschaft nicht noch mehr Kinder setzen will, sondern denen, denen es jetzt schon nicht gut geht, ein bestmögliches Zuhause bieten möchte.
Zwar hatte ich den konkreten Wunsch zur Sterilisation schon länger, habe mich aber lange nicht getraut, das Thema ernsthafter anzugehen – aus Angst vor einem unnötig kräftezehrenden Kampf und der generellen Stigmatisierung von jungen Menschen mit Uterus mit Sterilisationswunsch. Insbesondere da ich Traumafolgestörungen habe und mir im Kontext Geschlechtsidentität und/oder Sterilisationswunsch IMMER anhören darf, dass das alles am Trauma liegt und ich nur genug Therapie machen muss und dann alles "wieder gut" ist – obwohl es für mich gut so ist, wie es ist. Ich weine weder einer weiblichen Geschlechtsidentität, noch einem "verloren gegangenen" Kinderwunsch nach.
Was ich übrigens nicht abstreiten will: Meine empfundene Geschlechtsidentität und mein Wunsch zur Transition und Sterilisation können durchaus mit traumatischen Erfahrungen zusammenhängen. Wichtig ist allerdings, was diese Dinge für mich bedeuten. Für mich bedeutet die Transition und die zugehörige Sterilisation nicht, etwas wegzumachen, was ich verabscheue, sondern endlich das Recht auf Selbstbestimmung, das ich jahrelang nicht kannte, zu erlangen, und viel wichtiger: ausleben zu dürfen!
Es gibt mit Sicherheit unzählige Menschen, die mir widersprechen würden und der Meinung sind, dass ich mit einer Traumafolgestörung nicht in der Lage bin, zu wissen, was ich wirklich will. Aber lasst es euch von mir, einer Betroffenen, sagen – auch (chronisch) kranke, behinderte und traumatisierte Menschen haben ein Recht auf Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper!
Von Selbstbestimmt steril e. V. wurde mir im Juni eine Ärztin in meiner Nähe empfohlen, die Sterilisationen ab dem 25. Lebensjahr durchführt und ich habe bereits im Oktober 2020 ein Vorgespräch. Ich bin überglücklich und fühle mich mehr als je zuvor auf einem guten Weg zu mir und meinem Körper!
Update: Nun hatte ich die Sterilisations-OP am 10.09.2020 und bin überglücklich mit dem Ergebnis. Vielen Dank an die tollen Menschen von Selbstbestimmt steril e.V. für ihre Unterstützung bei der Ärzt*innensuche und ihre großartige und wichtige Arbeit!